Expopharm 2016

Oktoberfest der Pharmazeuten

Vom 12. bis zum 15. Oktober erlebt München ein Oktoberfest der besonderen Art: die Expopharm ist die größte Messe für den Apothekenmarkt. Vier Tage lang dreht sich alles um Apotheke, Arzneimittel und Arzneimittelversorgung. Die Veranstalter erwarten ca. 25.000 Fachbesucher, die sich an rund 500 Ausstellungsständen von Pharmafirmen und Zulieferern über alte, verbesserte, neue oder erst demnächst erhältliche Arzneimittel informieren können.

Traditionell findet zeitgleich auch der Deutsche Apothekertag statt, auf dem rund 300 Delegierte aus 17 Apothekenkammern und -verbänden die zukünftigen Positionen ihres Berufsstandes diskutieren und in Beschlüssen festzurren. Dabei geht es nicht nur um Verbandsinterna, sondern auch um Themen, die alle Patienten betreffen. In einem Appell an Krankenkassen, Politiker und Pharmaunternehmen fordert Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, das immer häufiger auftretende Problem der Lieferengpässe zu lösen: „Wer in seine Apothekensoftware schaut, der findet inzwischen eine erschreckend lange Liste nichtverfügbarer Arzneimittel“. Impfstoffe und Antibiotika seien „zum Teil über Monate hinweg nicht mehr verlässlich verfügbar.“

Dies ist sicherlich eine Baustelle für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der in seiner Rede auf der Eröffnungsveranstaltung betonte, dass die Bundesregierung alles unternehme, „um Qualität und Sicherheit durch ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken zu garantieren.“

Die Apothekerinnen und Apotheker investieren auf der Expopharm ihrerseits in die Qualität und Sicherheit der Beratung ihrer Apothekenkunden, indem sie die vielen angebotenen Vorträge nutzen und an den Ständen der Pharmazeutischen Industrie Gespräche über Arzneimittel und deren Wirkungen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen führen. War die Expopharm früher eher eine Veranstaltung im Zeichen des Auftragsblocks und der Verhandlungen über Preise und Konditionen, hat sich ihr Profil zunehmend hin zu Information, Fortbildung und gegenseitigem Austausch gewandelt.

Professor Dr. Theodor Dingermann, Seniorprofessor am Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt, Experte für Biosimilars und Mitglied des Vorstandes der Landesapothekenkammer Hessen, sieht im Belazona-Interview den Apotheker heute mehr denn je als Berater, dessen Kommunikationsqualitäten gefragt sind, um Patienten individuell mit relevanten Informationen zu versorgen und vor Halbwissen oder Fehlinformationen zu bewahren: „Der Apothekerberuf ist ein kommunikativer Beruf geworden für selbstbewusste, extrem gut ausgebildete Naturwissenschaftler im pharmazeutisch-medizinischen Bereich.“ 

Vielfach müssten sie Fehler korrigieren, die auf Informationen beruhen, die Kunden sich aus dem Internet geholt hätten. Dabei ist Professor Dingermann keineswegs internetfeindlich eingestellt, wenn es um die Recherche geht: „Man kann das machen, wenn man weiß, wo man zu suchen hat, und unterscheiden kann, was seriös und was nicht seriös ist.“ Diese Differenzierung zwischen seriöser und marktschreierischer Information und deren Vermittlung an die Kunden seien heute ganz wichtige und klare Lernziele für Apotheker des neuen Typs.

In diesem Sinne ist auch die Fortbildung angehender und praktizierender Apotheker und deren Teams zu sehen, die Professor Dingermann gemeinsam mit Professor Manfred Schubert-Zsilavecz als Kurator der „Pharma-World“ betreut. Diese Veranstaltungsplattform befindet sich im Zentrum der Messehalle B4, durch breite Gänge etwas vom Trubel zwischen den Messeständen abgegrenzt. Hier werden kontinuierlich über die Messetage hinweg Vorträge und Diskussionen zu moderner Arzneimitteltherapie, Möglichkeiten freiverkäuflicher Arzneimittel und Beratungsqualität geboten.

Angesichts der Qualität der Veranstaltungen und der Notwendigkeit der Kommunikation zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen wurmt es Professor Dingermann mächtig, wenn einzelne große Firmen nicht auf der Messe vertreten sind. „Ich finde es skandalös, dass hier einige große Firmen einfach nicht da sind.“ Sie nähmen damit den oft aus der ganzen Bundesrepublik angereisten Apothekern die Chance zur Diskussion und Nachfrage. Es sei einfach eine Frage der Kundenbetreuung, hier Präsenz zu zeigen.

Wenn man den Publikumsverkehr an vielen Ständen sieht, dann stellt sich sicher die Frage, warum ein Unternehmen hier nicht präsent sein möchte. Am Stand des Cuxhavener Generikaspezialisten TAD Pharma ist ständig Betrieb, an den aufgestellten Tischen werden eifrig Gespräche geführt. Wurden an den Ständen der Hersteller in früheren Jahren häufig Produktproben und andere Nettigkeiten in großen Taschen verteilt, so steht heute die Information im Vordergrund. Das bestätigt auch Iris Eichenhofer, Brand Managerin bei der Firma Engelhard Arzneimittel, die mit einem repräsentativen Stand auf der Messe vertreten ist. Die Expopharm ermögliche viele und intensive Gespräche mit Apothekern und dem Großhandel.

In diese Kerbe schlägt auch Marc Hesse vom Langenfelder Pharmaunternehmen Orthomol. „Die Firma Orthomol ist schon seit Jahren auf der Expopharm vertreten. Für uns ist es ganz selbstverständlich, dass wir unsere Kunden und Partner treffen.“ Auch oder gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung der Kommunikation seien solche Treffpunkte wie Messen wichtig, um sich persönlich auszutauschen.

Dies sieht eine Gruppe von PTA-Schülerinnen ebenso, die sich darüber freuen, hier über den Bereich von Schule und Ausbildung hinaus viele Neuigkeiten entdecken zu können. Befragt nach Auskunftsfreude und Unterstützung bei der Informationsfindung durch die Pharmaindustrie stellen sie den Ausstellern ein sehr positives Zeugnis aus.

Auch die beiden Apotheker Anja und Georg Wallisch sind zufrieden mit dem Informationsangebot an den Ständen. Sie schätzten vor allem, hier auch einmal kleinere Hersteller kennenzulernen und sich über deren Angebot zu informieren. Sie bezeichnen sich als „Apotheker mit Leib und Seele“, die sich lediglich wenn es (verbands-)politisch wird, kritisch äußern. „Wir lassen uns egal in welcher Situation von den Ärzten und von der Politik den Rang ablaufen.“ An die Adresse der Bayrische Apothekerkammer formuliert Georg Wallisch überspitzt das Motto „Da kann man nichts machen“ und verlangt einen stärkeren Einsatz für die Belange der Apotheken.

Befragt nach der Rolle des Apothekers in der heutigen Zeit betonen beide, dass der Apotheker der Gesundheitsfachmann sei für viele Patientenfragen, die der Arzt nicht beantworten könne, weil er zwar über medizinisches Wissen verfüge, ihm das ebenfalls wichtige pharmazeutische Know-how aber fehle. Und Anja Wallisch ergänzt, dass sie sich auch wünsche, dass die Ärzte zum Wohle der Patienten häufiger den Rat des Apothekers in pharmazeutischen Fragen suchen würden als das aktuell der Fall ist.

Natürlich gibt es auch noch eine ganze Reihe von Ausstellern, die nicht direkt mit Fragen der Gesundheit befasst sind. Warenwirtschaftssysteme, Software und Werbematerialien sind für Hersteller wie auch für die Apotheken wichtige Dinge, über die man sich auf der Expopharm informieren kann. Hier haben wir Dipl.-Ing. Roman Schmitt, Geschäftsführer der Crossover-Mediagroup befragt, die auf der Expopharm unter anderem Warenlogistik und Displays anbieten. „Wir sprechen hier die Hersteller pharmazeutischer Produkte an und sind überrascht über die Internationalität, die hier vorhanden ist.“ Die Firma biete internationalen Herstellern, die auf dem deutschen Markt Fuß fassen wollten, in vielfältige Form von der Produktverpackung bis zur vollständigen Gestaltung des Point of Sale ihre Unterstützung an. Verkaufsleiter Reiner Wahlen ist zufrieden mit den ersten beiden Tagen der Messe und sieht die Erwartungen übertroffen.

Bildquellen: © belazona.de 2016