Arzneipflanze 2017

Hafer, das unterschätzte Getreide

Der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ am Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg ruft seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres aus. Für 2017 ist die Wahl auf den Saat-Hafer gefallen – er löst den Kümmel ab.

Hafer ist ein Getreide und zählt zu den Süßgräsern. Er ist nicht so anspruchsvoll wie andere Getreidearten, sondern gedeiht auch auf kargen Böden und in Gegenden mit hohen Niederschlägen. Drei Pflanzenteile werden als Heilmittel genutzt: Stroh, Kraut und Korn des Hafers.

Das Stroh wird für Bäder genutzt, die bei Juckreiz und Hautverletzungen helfen sollen.

Das Kraut enthält Mineralien (Kalium, Calcium, Magnesium) sowie sogenannte Flavonoide und Saponine. Die beiden zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen, wobei den Flavonoiden eine entzündungshemmende und den Saponinen eine immunstimulierende Wirkung zugesprochen wird. Extrakte des Haferkrautes kommen bei trockener Haut und atopischer Dermatitis zum Einsatz. So lassen sich Entzündungen, Rötungen und Schuppenbildung lindern. Auch zur Behandlung von Wunden und empfindlicher Haut kann das Haferkraut eingesetzt werden.

Schließlich ist das Korn des Hafers, aus dem die Haferflocken hergestellt werden, ein bedeutsames Heilmittel. Es ist reich an Vitamin B1, B6 und Ballaststoffen, von denen die löslichen Beta-Glucane ungefähr die Hälfte ausmachen. Sie wirken auf den Verdauungstrakt und den Stoffwechsel und haben insbesondere positive Effekte auf den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel.

Hafer-Beta-Glucane binden Gallensäuren – dies führt, so wird vermutet, zu einer Ausscheidung von Cholesterin und zur Senkung des Gesamt- und LDL-Spiegels. Dass der Verzehr von Hafer zur Cholesterinsenkung beitragen kann, wurde auch 2011 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bestätigt.

Ebenso wurden die positiven Effekte auf den Blutzuckerspiegel vielfach dokumentiert. Schon vor 100 Jahren wurden Typ-2-Diabetikern diätetische Hafertage verordnet. Eine neuere Studie am Diabetologikum Berlin zeigte, dass die Insulindosis bei Patienten, die einen hohen Insulinbedarf hatten, nach zwei Hafertagen um bis zu 30 Prozent gesenkt werden konnte. Bis zu vier Wochen soll dieser Effekt nachgewiesen werden können.

Auch auf die Verdauungsorgane ist eine positive Wirkung zu beobachten. Die Ballaststoffe schützen die Darmwand vor äußeren Reizen und beruhigen einen empfindlichen Magen.

Inwieweit Menschen mit Zöliakie Haferprodukte zu sich nehmen können, ist immer noch nicht klar. Bei Zöliakie entzündet sich die Schleimhaut des Darms nach dem Verzehr von Gluten. Im Gegensatz zum Weizen macht Gluten im Haferkorn nur einen kleinen Anteil aus, während Hirse, Mais und Reis als glutenfrei gelten. In verschiedenen Studien zur Verträglichkeit des Hafers bei Zöliakie-Patienten konnte gezeigt werden, dass Hafer in kleineren Mengen meist gut vertragen wird.

Die Wahl zur Arzneipflanze des Jahres verhilft dem Hafer sicherlich zu mehr Aufmerksamkeit, so dass durch entsprechende Studien das therapeutische Potenzial in Zukunft weiter ausgeschöpft werden kann.

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