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Medica 2016

Medizinmesse der Superlative

Vom 14. bis 17.11.2016 präsentieren über 5.000 Aussteller aus 68 Ländern Technik und Innovationen für Diagnostik, Therapie und Therapiemanagement. Die Themen und Angebote sind vielfältig: Elektrostimulation spezieller Hirnareale nach Schlaganfällen, Digitalisierung der Arzt-/Patientenkommunikation, neue und schonendere Materialien für Implantate, Verbrauchsmaterialien: Alles, was Ärzte in Kliniken und Praxen brauchen, ist vertreten.

Schon im Shuttlebus vom Parkplatz zu den Messehallen spürt man das internationale Flair dieser Fachmesse. Im gut besetzten Bus herrscht eine großartige Sprachenvielfalt und fast jeder kommuniziert: meist im persönlichen Gespräch oder im Telefonat, auffallend seltener als sonst üblich in stiller Vereinigung mit dem Handy.

Ein erster Rundgang, bei vielen Messen problemlos zur Orientierung möglich, ist angesichts einer Ausstellungsfläche von 131.000 m² mit über 5.000 eng aneinander stehenden Messeständen nur eine Utopie. Man muss sich auch als Journalist gut vorbereiten, wenn man diese Messe besucht, und einen klaren Plan haben, was man sich wo, wann und warum ansehen möchte, denn es ist einfach zu umfassend für einen Gesamteindruck, auch wenn der Messeveranstalter sich Mühe gibt, die Hallen nach Themenschwerpunkten zu sortieren.

Zu diesen gut vorbereiteten Besuchern zählt Herr Silva, der eigens aus Brasilien angereist ist und den wir im Bereich der nationalen und internationalen Gemeinschaftsstände treffen. Als Repräsentant mehrerer brasilianischer Medizintechnikunternehmen hat er viele Termine wahrzunehmen. Die Gespräche seien durchweg unternehmerisch sehr positiv und in einer angenehmen Atmosphäre, es laufe gut hier auf der Medica. Und auch Düsseldorf gefalle ihm sehr gut, obwohl er es nicht so richtig genießen könne, weil die weite Anreise sich lohnen müsse und die Messezeiten optimal mit Gesprächen und Verhandlungen gefüllt sein wollten.

Bei soviel Internationalität will auch die Bundesregierung nicht fehlen und informiert auf einem eigenen Stand zum Thema „Fördern. Beraten. Informieren: Medizintechnik am Innovationsstandort Deutschland“. Interessierte Unternehmen können hier in persönlichen Innovationsgesprächen mit zahlreichen Vertretern von Behörden und Institutionen erste Kontakte knüpfen oder bestehende vertiefen und ausbauen.

Die Medica bezeichnet sich selbst als Trend-Barometer des Marktes. Und der Megatrend dieses Trend-Barometers heißt „Digitalisierung“. Laut Joachim Schäfer, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf GmbH, „schreitet die Digitalisierung des Gesundheitswesens unaufhaltsam voran und das betrifft alle Bereiche, den ambulanten wie den klinischen, sowie gleichermaßen Arzt und Patient.“ Durch eine „effektivere Erfassung und Nutzung von Patientendaten“ würde die Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen optimiert, sagt Schäfer. Die derzeitigen Insellösungen seien zwar modern, aber eben nicht aufeinander abgestimmt und daher eher als „digitaler Flickenteppich“ zu sehen.

Die Notwendigkeit, in die digitale Patientenakte zu investieren, ist auch für Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen von hoher Dringlichkeit. In einer Diskussionsveranstaltung im Econ-Forum, einer von der Techniker Krankenkasse unterstützen Veranstaltung, plädiert sie für einen raschen, stufenweisen Einstieg.

Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, erklärt, die Ärzte seien grundsätzlich offen für ergänzende und unterstützende digitale Medizin, vor allem im ländlichen Bereich, aber eine „Telemedizin“ würden sie ablehnen.

Digitalisierung sei ein Thema von heute, sagt Dr. Klaus Goedereis, Vorsitzender des Vorstandes der St. Franziskus-Stiftung in Münster, es gebe auch schon viele Projekte in NRW, aber ebenso viele offene Fragen. Gemeinsam mit Dr. Windhorst stellt er fest, dass zum Beispiel Abrechnungsfragen nicht geklärt seien. Auch der Datenschutz sei ein wichtiges Thema.

Dr. Windhorst, Dr. Goedereis und Günter van Aalst geben auch zu bedenken, dass ein solches digitales Abbild vollständig sein müsse, worin die Genannten ein erhebliches Problem sehen.

Der Anspruch, alles erfassen und in einem System abbilden zu wollen, sei „typisch deutsch“, entgegnet Frau Steffen: „Wir wollen immer alles machen und wollen es direkt ganz perfekt machen.“ Dieser Anspruch führe aber nie zum Ziel, weil der Prozess nicht abgeschlossen werden könne. Darunter leiden würden letztlich diejenigen, die von dieser Vernetzung am stärksten profitieren würden – chronisch Kranke, Patienten mit mehreren Erkrankungen und Schwerstkranke. Eine allumfassende Krankenakte sei nicht realisierbar, nicht zuletzt, weil der Patient bestimme, was drin sei und was nicht. Manchmal gelänge es in einem Krankenhaus nicht, bei Verlegung des Patienten auf eine andere Station eine vollständige Krankenakte zeitnah vorzulegen.

Dabei formuliert sie auch gleich eine Prämisse: Digitalisierung diene nicht dazu, Arbeitsabläufe der Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu optimieren, sondern dem Wohl des Patienten.

Beim Datenschutz negiere sie keineswegs das Problem. Man müsse „in einer Zeit, in der selbst Kliniken Opfer von Hackerangriffen werden“, hier besonders sorgfältig sein. Letztlich obliege es, im Rahmen der Selbstbestimmung über seine Daten, auch dem Patienten, zu entscheiden, welche Informationen er speichern lassen wolle und welche nicht. Diese Frage würden Patientengruppen, die einen hohen Nutzen aus der Zusammenführung der Daten für ihre Behandlung ziehen können, sicherlich anders beantworten als solche, die aufgrund ihrer Erkrankung weniger Bedarf hätten. Auch dies führe zu der Überlegung, die Einführung schrittweise und vor allem bei den Bedürftigen voranzutreiben.

Bildquellen: © belazona.de 2016