Arzt an Bord

Nachgefragt: Als Schiffsarzt auf hoher See

Wer an Kreuzfahrtschiffe denkt, hat Bilder im Kopf: endloses Meer, strahlend blauer Himmel, kreischende Möwen. Mit romantischen Vorstellungen wie diesen hat der Job eines Schiffsarztes weniger zu tun – dafür mit medizinischer Vielseitigkeit, einem breiten Tätigkeitsspektrum und Soft Skills wie Diplomatie, Empathie und Teamfähigkeit. Und natürlich auch mit der Liebe zum Meer.

Wahrscheinlich hat jeder schon einmal davon geträumt, den Alltag hinter sich zu lassen und etwas Neues, Aufregendes zu machen. Vielleicht zu reisen und mehr von der Welt zu sehen als die so vertrauten Praxisräume. Auszubrechen aus dem Zeitplan „Sprechstunde montags bis freitags“. Herausforderungen zu suchen und sich selbst neue Ziele zu setzen.

Sehr positive Life-Work-Balance
Wenn Sie jetzt im Stillen genickt haben, könnte Schiffsarzt ein interessanter Job für Sie sein. Einige Aspekte sollten Sie jedoch bedenken.

„Das ist kein Job mit Urlaubscharakter!“, weiß Priv.-Doz. Dr. med. Christian Ottomann. „Aber eine Arbeit mit sehr positiver Life-Work-Balance. Sie ist für viele Ärzte attraktiv. Dennoch sollten Interessierte nur bei ausreichender medizinischer Erfahrung, dezidierter Vorbereitung und Interesse an der maritimen Medizin auf einem Schiff anheuern.

Der Lübecker Chirurg kennt sich aus in der maritimen Medizin. Nachdem er selbst immer wieder als Schiffsarzt u. a. in der Arktis und der Antarktis im Einsatz war, gründete er 2010 die Schiffsarztbörse: zur Vermittlung von Ärztinnen und Ärzte für maritime Einsätze.

Denn der Bedarf an qualifiziertem medizinischem Personal auf See ist groß: auf Kreuzfahrt- und Forschungsschiffen, auf anspruchsvollen Segeltörns, bei der deutschen Marine oder im Offshore-Bereich. Insbesondere der nach wie vor boomende Markt der Kreuzfahrtschiffe sorgt für eine enorme Nachfrage.

Medizinische Voraussetzungen der Bewerber
„Für die ärztliche Tätigkeit auf Kreuzfahrtschiffen gibt es keine einheitlichen oder international bindenden Vorschriften zu den medizinischen Zugangsvoraussetzungen, doch die Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin e.V. (DGMM) hält Empfehlungen zur Qualifikation von Schiffsärzten bereit“, erläutert Ottomann. „Neben der Approbation und einer Facharztgebietsanerkennung in den Fächern Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Chirurgie und Innerer Medizin sind routinierte Kenntnisse in der Notfallmedizin Voraussetzung.“ Hinsichtlich des Facharztgebietes könnten Ausnahmen gemacht werden, wenn eine ausreichende allgemeinmedizinische Tätigkeit nachgewiesen werden könne, so Ottomann. 

Besonders wichtig sind notfallmedizinische Routinekenntnisse. Daher sollte der Schiffsarzt über die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin oder alternativ über die notallmedizinischen Qualifikationen ACLS (Advanced Cardia Life Support) und PALS (Pediatric Advanced Life Support) verfügen. Weitere medizinische Zugangsvoraussetzungen sind Sonografiekenntnisse und die Fachkunde Strahlenschutz.

Was ein Schiffsarzt außerdem mit an Bord bringen muss
Eine Reihe weiterer Fähigkeiten muss der Schiffsarzt im Seesack haben: z. B. fließende Englischkenntnisse. Auch die Seediensttauglichkeit muss festgestellt werden. Hierbei werden Seh- und Hörvermögen, die körperliche Leistungsfähigkeit und Einschränkungen bei medikamentöser Behandlung untersucht.

Das reicht aber noch nicht aus. Ohne Seefahrtserfahrung sollten Ärzte nicht an Bord. „Nicht nur maritime Besonderheiten, wie z. B. ein Norovirus-Ausbruch an Bord und konsekutive Quarantänemaßnahmen, machen eine maritime Zusatzqualifikation unabdingbar“, erklärt Ottomann. Auch aus haftungsversicherungsrechtlicher Sicht sollten sich Ärzte auf die Arbeit an Bord vorbereiten.

Qualifiziert in maritimer Medizin
Um Ärztinnen und Ärzte für die hohen Anforderungen der maritimen Medizin zu qualifizieren, bietet die Schiffsarztbörse – als einer von zwei Anbietern in Deutschland – seit 2011 die Schiffsarztausbildung an. Jährlich im Mai wird der Kompaktkurs „Maritime Medizin“ an Bord von Kreuzfahrtschiffen veranstaltet. Hier erhalten die künftigen Schiffsärzte in 10 Tagen einen kompletten Überblick über die gesamte Kreuzfahrtmedizin einschließlich Sonografie und ACLS.

Maritime Besonderheiten wie z. B. Seekrankheit, Unterkühlungs- und Ertrinkungs-Notfälle, aber auch die Behandlung von Verbrennungen an Bord stehen hier – neben vielen anderen Themen – auf dem Stundenplan.

Das Leben an Bord
Angenommen, Sie bringen alle Voraussetzungen mit und heuern als Schiffsarzt an: Was erwartet Sie? Organisatorisch gehören Sie jetzt zu den Decksoffizieren, tragen eine weiße Uniform und dem Rang entsprechende Offiziersstreifen. Ihr Personalvorgesetzter ist der Staff-Kapitän. Neben der medizinischen Versorgung haben Sie weitere Funktionen inne. An gesellschaftlichen Anlässen nehmen Sie mit dem Kapitän und den anderen ranghohen Offizieren teil. 

Üblicherweise sind Sie in einer recht geräumigen Außenkabine mit eigener Dusche und WC direkt am Bordhospital untergebracht. Manche Reeder ermöglichen die kostenlose Mitnahme eines Familienmitglieds.

Im Bordhospital erwartet den Schiffsarzt ein ähnlich breites Spektrum von Erkrankungen wie in einer Hausarztpraxis. Er wird mit internistischen Krankheitsbildern ebenso konfrontiert wie mit seltenen akuten chirurgischen Situationen. Auch dermatologische, neurologische, ophthalmologische und gynäkologische Notfälle können vorkommen. Auch eine notfallmedizinische Zahnbehandlung bis zum nächsten Hafen umfasst das Einsatzspektrum.

Ihr Dienst dauert in der Regel 24 Stunden, danach haben Sie 24 Stunden Freizeit. Während der Dienstzeiten gibt es geregelte Sprechstunden, getrennt für Crew und Passagiere.

Außerdem sind Sie für die Ausstattung der Bordapotheke verantwortlich. Sie sind der Hygienebeauftragte an Bord und Ihnen unterliegt das Führen des sogenannten GI-Logs und der „Narcotic List“ (Betäubungsmittelbestand). Sie sind Disziplinarvorgesetzter des medizinischen Personals und verantwortlich für die Erstellung der „Health Declaration“ für jeden anzusteuernden Hafen. Für die Crew führen Sie den „Elementary First Aid Course“ durch.

In wichtigen medizinischen Fragen, besonders wenn der Reiseverlauf des Schiffes betroffen sein könnte, halten Sie engen Kontakt zum Kapitän, informieren ihn regelmäßig über den kritischen Gesundheitszustand eines Passagiers oder Crew-Mitglieds. Der Kapitän trifft auch die letzte Entscheidung bezüglich einer notwendigen Disembarkation oder Änderung des Reiseverlaufs.

Kundenzufriedenheit wird an Bord eines Kreuzfahrtschiffes großgeschrieben. Beschwerden von Passagieren über den Schiffsarzt werden sehr ernst genommen. Deshalb sind Diplomatie und Empathie wichtige Tugenden, die Sie einsetzen werden, z. B. auch dann, wenn Passagiere Krankheiten oder Verletzungen simulieren, um über eine Versicherung die Kosten für die Kreuzfahrt zu mindern.

Im Umgang mit der Crew, die nicht selten aus 40 verschiedenen Ländern stammt, zeigen Sie sich als teamfähig und geduldig. Und dank Ihrer Sprachkenntnisse haben Sie keinerlei Verständigungsprobleme …

Das alles klingt gut, finden Sie? Dann ergeht es Ihnen ähnlich wie den 200 Kolleginnen und Kollegen, die das Netzwerk der Schiffsarztbörse mittlerweile umfasst. Vielleicht zählen ja auch Sie bald dazu.

Die Schiffsarztbörse 

  • Gegründet 2010 von Priv.-Doz. Dr. med. Christian Ottomann
  • Zertifizierte Arbeitsvermittlung: Vermittlung von Ärzten und medizinischem Personal zum Einsatz als Schiffsarzt an maritime Schifffahrtsunternehmen (Reedereien und Schiffseigner) sowie im Offshore Bereich, an Charterer, Segelgruppen und Privatpersonen im Bereich der See- und Binnenschifffahrt
  • Maritime Fortbildungen und Veranstaltungen, z. B.:
    Kompaktkurs Maritime Medizin 2017: 11.05. – 20.05.2017


www.schiffsarztboerse.de

Bildquellen: © Schiffsarztbörse / Dr. Christian Ottomann