Stress an Weihnachten

Alle Jahre wieder

Weihnachten ist familiär, besinnlich und erholsam – sollte es zumindest sein. Doch tatsächlich überwiegt oft der Stress und überschattet damit eine Zeit, die ganz besonders die innere Hygiene und die Ausgeglichenheit fördern sollte. Woran liegt das und wie kann man dem begegnen?

Eine erste Erklärung ist der Druck, der auf allen Beteiligten lastet. Zu Weihnachten möchte man „besonders gut sein“: als Mutter, Vater, Kind, Enkel, Bruder, Schwester, aber auch als Gast oder Gastgeber. Allein die Planung der Weihnachtsfeiern, der Reisewege und der Menügänge nimmt Zeit in Anspruch, vom Aussuchen und Besorgen der Geschenke ganz zu schweigen.

Machen Sie sich davon innerlich frei! Der Anspruch auf Perfektion führt geradewegs in die Unzulänglichkeit, denn ein Ideal ist ja immer eine Vorstellung, der man sich nur annähern kann und die man nie ganz erreicht. Entschlacken Sie die Ansprüche an sich selbst, indem Sie sich die Zeit nehmen, die größtenteils selbstauferlegten „Verpflichtungen“ kritisch zu hinterfragen und ihre Wertigkeit zu bestimmen.

Ja, Sie haben richtig gelesen: Die meisten Verpflichtungen legen wir uns selbst auf die Schultern. Das können ganz banale Dinge sein. Warum sollten Sie zum Beispiel zu Weihnachten ein Gericht kochen, das Sie sonst nie kochen? Die theoretische Wahrscheinlichkeit des Scheiterns wird ebenso erhöht wie der Stress.

Ein weiterer Punkt: Egal wie sehr Sie sich bemühen – Sie können nicht allen Familienmitgliedern gerecht werden. Heiligabend bei den Eltern in Hannover, am ersten Weihnachtstag bei den Schwiegereltern in Lübeck und am zweiten Weihnachtstag treffen sich die Geschwister dann traditionell zum Brunch im Irgendwo – dann ist Weihnachten vorbei und Sie sind platt.

Besser wäre es, sich im jährlichen Wechsel mal hier, mal dort zu treffen und mindestens einen Tag, besser zwei, für den inneren Kreis der Familie oder der Freunde zu reservieren. Dann kann man auch ganz locker gemeinsam die Speisen zubereiten, keine Schwiegermutter wacht über den Saftgehalt des Bratens, und alles geht entspannt seiner Wege.

Ein weiteres großes Weihnachtsstress-Problem ist die Tatsache, dass sich an diesem Tag Menschen treffen, die ungelöste Konflikte miteinander in sich tragen oder ganz einfach nicht die gleiche Wellenlänge haben. Hier greift der bekannte Spruch: Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.

Also leben Sie damit! Machen Sie sich im Vorfeld mit dem Gedanken vertraut, dass Cousin Lukas wie immer blöde Sprüche klopfen wird: über Ihren Beruf, Ihr Auto oder Ihre Frisur. Nein, suchen Sie nicht nach der geistreichen Entgegnung, sondern trainieren Sie Ihr inneres Lächeln und denken Sie daran, dass Sie den Kerl nur für einen Tag ertragen müssen, bevor er wieder in sein Erdloch verschwindet. Das kann selbst bei penetranten Familienmitgliedern helfen.

Schwieriger sind echte Konflikte wie Erbschaftsstreitigkeiten, Beleidigungen in der Vergangenheit und so weiter. Hier ist zu überlegen, ob man sie nicht durch eine offene Aussprache im Vorfeld beilegen kann. Denken Sie daran: Der Klügere gibt nach – und hat das entspanntere Weihnachtsfest.

Natürlich gibt es auch Konflikte, die nicht lösbar oder für einen begrenzten Zeitraum unter der Decke zu halten sind. Denken Sie dann ruhig einmal darüber nach, ob Sie wirklich an der Feier teilnehmen sollten. Gegebenenfalls kann man ja auch einen Kurzbesuch machen, der wenig Raum für Eskalation bietet.

Sagen Sie sich auch immer wieder: Weihnachten ist kein Wettbewerb – weder bei der Dekoration, beim Menü noch bei den Geschenken! Besonders in großen Familien mit kleinen Kindern ist es wichtig, dass sich Onkel, Tanten, Paten, Omas und Opas abstimmen, was an Geschenken sinnvoll ist und bis zu welchem Betrag man gehen sollte. Klingt unromantisch, schafft aber eine stressfreiere Feieratmoshäre, als wenn Oma Kiel eine Playstation für den Enkel hat und Opa Flens warme Unterwäsche.

Kommen wir zur Planung der (Vor-)Weihnachtszeit. Starten Sie frühzeitig mit Ihren Weihnachtseinkäufen. Führen Sie sie gemeinsam mit Partnerin oder Partner durch und runden Sie sie mit entspannenden Events wie einem Essen im Lieblingsrestaurant oder einem Besuch im Kino oder Theater ab.

Und dann ist da nicht zuletzt Ihre innere Ruhe. Es gibt viele Techniken und Tricks, die man anwenden kann – wenn man sie schon kennt und beherrscht. Ansonsten lassen Sie zur Weihnachtszeit besser die Finger davon. Am Heiligabend ist einfach nicht die Zeit, autogenes Training zu erlernen oder mit einem Meditations-Mandala umzugehen. Nehmen Sie sich lieber Zeit für das, was Sie gerne machen. Wenn Sie gerne bei einem guten Glas Wein klassische Musik hören: Schaffen Sie sich diesen Freiraum! Wenn Ihre Partnerin oder Ihr Partner das auch gerne macht: wunderbar! Machen Sie es gemeinsam. Ansonsten muss jeder auch seinen Freiraum haben dürfen, sich so zu entspannen, wie er es wünscht. Dann macht jeder einfach für zwei Stündchen etwas für sich selbst, um anschließend wieder gemeinsam zu feiern.

Mit diesen wenigen Grundsätzen kommen Sie dem sozialen Grundgedanken des Weihnachtsfests ziemlich nah: sich selbst und andere zu respektieren, das Geschenk des Körpers und des Geistes zu pflegen und in Frieden und Gemeinschaft eine schöne Zeit zu verbringen. Alles andere ist – Beiwerk. Und wenn man zu sich selbst findet, als Individuum wie als Gemeinschaft, dann findet man auch die Kontemplation, die benötigt wird, um ein religiöses Fest zu feiern.

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