Kranke Zähne bei Kindern

Kreidezähne durch Antibiotika?

Rund acht Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen in Deutschland – das sind ca. 450.000 Kinder – haben sogenannte Kreidezähne, die behandelt werden müssen. Laut BARMER-Zahnreport 2021, der jetzt vorgestellt wurde, gibt es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Auftreten und der Einnahme von Antibiotika.

03.06.2021

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), umgangssprachlich „Kreidezähne“ genannt, ist neben Karies die häufigste Zahnerkrankung im Kindesalter. „Es handelt sich um ein relativ neues Krankheitsbild“, erläutert Prof. Dr. Michael Walter, Autor des BARMER-Zahnreports und Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, auf einer Pressekonferenz.

Bei den Kindern kommt es nicht nur zu gelblich oder bräunlich verfärbten, porösen Zähnen. „Je nach Schweregrad treten Empfindlichkeiten und Schmerzen auf und es werden Fluoridierungen, Versiegelungen, Füllungen und Kronen erforderlich. Es ist auch möglich, dass Zähne verloren gehen. Wegen der noch unbekannten Ursachen gibt es keine Vorbeugung. Die Zahnschädigung kann nicht geheilt, sondern nur aufgehalten werden“, führt Prof. Walter aus.

Kann man die Entstehung von Kreidezähnen verhindern?
Für die betroffenen Kinder, aber auch für ihre Eltern ist das Krankheitsbild überaus bedrückend. Sie fühlen sich verantwortlich, denken, sie hätten die kranken Zähne ihrer Kinder durch entsprechende Maßnahmen verhindern können.

Doch das stellt Prof. Dr. Christoph Straub, der Vorstandsvorsitzende der BARMER, richtig: „Über die Entstehung ist bisher nur wenig bekannt. Experten gehen davon aus, dass die Ursachen im Prozess der Zahnmineralisation liegen. Die Ernährung und regelmäßiges Zähneputzen haben auf die Entstehung keinen Einfluss. Somit ist Prävention nahezu unmöglich. Für die Eltern betroffener Kinder ist das eine wichtige Botschaft. Denn sie haben nichts falsch gemacht!“

Über mögliche Ursachen der Kreidezähne werde viel diskutiert und es bestünden verschiedene Hypothesen dazu. Hier werde auch das mögliche Zusammenwirken von Arzneimitteln und Kreidezähnen diskutiert, führt Prof. Straub aus. „In unserem Zahnreport haben wir unterschiedliche Gruppen von Medikamentenverordnungen bei Kindern mit und ohne Kreidezähnen untersucht. Dabei wurden auch unterschiedliche Antibiotika geprüft, die etwa bei Atem- oder Harnwegsinfekten zum Einsatz kommen. Hier zeigt sich, dass bei Kindern mit Kreidezähnen in den ersten vier Lebensjahren häufig angewendete Antibiotika bis zu etwa zehn Prozent mehr verschrieben wurden. Die Verordnung von Antibiotika steht also in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Zahnerkrankung. Allerdings ist noch unklar, wie dieser Zusammenhang funktioniert und wie sehr die Wirkstoffe der Antibiotika selbst das Auftreten von Kreidezähnen fördern oder doch andere Faktoren dahinterstehen. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich. Es ist aber vor allem ein weiterer Grund, Antibiotika indikationsgerecht und in Maßen einzusetzen.“

Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen
Auch zu weiteren interessanten Ergebnissen kommt der BARMER-Zahnreport 2021: So treten Kreidezähne bei Mädchen häufiger auf als bei Jungen. Zwischen 2012 und 2019 hatten 9,1 Prozent der Mädchen und 7,6 Prozent der Jungen eine so schwere Form der Kreidezähne, dass sie in zahnärztlicher Behandlung waren.

Auch bekommen Kinder vergleichsweise selten Kreidezähne, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch sehr jung oder bereits älter als 40 Jahre alt war. Waren die Mütter zum Zeitpunkt der Geburt zwischen 30 und 40 Jahre alt, hatten sie gut doppelt so häufig Kinder mit Kreidezähnen.

Doch hier ist noch vieles zu erforschen, weiß Prof. Walter. „Wir haben in unseren Analysen verschiedene Zusammenhänge gefunden. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Kausalitäten können mit Abrechnungsdaten allein allerdings nicht aufgeklärt werden. Dazu bedarf es weiterer Forschung. In Kenntnis der Ursachen könnten zukünftig dann auch endlich präventive Maßnahmen möglich werden.“

Quelle: BARMER-Zahnreport 2021. Online-Pressekonferenz der BARMER Berlin, 1. Juni 2021

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