Mandel-OP bei Kindern

Mandeln entfernen lassen: Wägen Sie die Nutzen und Risiken ab!

Kinder, bei denen die Gaumen- und/oder Rachenmandeln entfernt wurden, haben im späteren Lebensalter ein höheres Risiko, an Atemwegs- und Infektionskrankheiten sowie Allergien zu erkranken. Zu diesem Ergebnis kommen die Wissenschaftler einer großen dänischen Studie, die die Langzeitfolgen von Mandel-OPs untersucht haben.

Die Entfernung der Gaumen- und/oder Rachenmandeln zählt zu den häufigsten Operationen im Kindesalter. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, wurden 2016 67.581 Kinder unter 15 Jahre vollstationär einer Mandel-OP unterzogen:

21.636 Kinder => Tonsillektomie: Entfernung der Gaumenmandeln
34.247 Kinder => Adenotomie: Entfernung der Polypen (= Rachenmandeln)
11.698 Kinder => Entfernung der Gaumen- und Rachenmandeln

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen fand die Veröffentlichung einer aktuellen dänischen Studie große Beachtung. Welche Langzeitfolgen bringen die Operationen mit sich? Werden diese die Entscheidung für oder gegen Mandelentfernungen künftig beeinflussen?

Aktuelle Studie zeigt Risiko von Langzeitfolgen auf
In der dänischen Untersuchung wurden die Daten von 1,2 Millionen Dänen erfasst und analysiert. Dabei wurden die Erkrankungen der Studienteilnehmer, die bis zu ihrem 9. Lebensjahr eine Mandel-OP hatten, in einem Zeitrahmen bis zum 30. Lebensjahr mit den Krankheiten von Kontrollpersonen verglichen, die sich keiner Mandelentfernung unterzogen hatten.

Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Die Wissenschaftler konnten aufzeigen, dass Adenotomie und Tonsillektomie mit einem 2- bis 3-fach erhöhten Risiko für spätere Erkrankungen der oberen Atemwege verbunden waren. Auch die Risiken für Infektionskrankheiten und Allergien stiegen nach Entfernung von Rachen- und Gaumenmandeln um 17 Prozent.

Diese Zahlen haben in Deutschland die Diskussion um die Notwendigkeit von Mandel-OPs bei Kindern neu entfacht. Wird zu oft operiert? Muss die Notwendigkeit einer OP kritischer hinterfragt werden?

Die fachärztlichen Meinungen gehen hier auseinander. Viele Kinderärzte sehen sich durch die Studie bestätigt. Die Mandeln sind für sie ein wichtiges Organ zur Abwehr von Krankheitserregern. Sie raten nur dann zu einer Mandelentfernung, wenn sie unbedingt notwendig ist.

Demgegenüber kommt von HNO-Fachärzten viel Kritik an der Studie. Sie sehen diverse Mängel in der Ausführung. So seien wichtige andere Einflüsse, die zu den späteren Erkrankungen geführt haben könnten, wie zum Beispiel Rauchen oder eine ungesunde Ernährung, nicht berücksichtigt worden. Kinder könnten auch durchaus schon vor ihrer Mandelentfernung an bestimmten Erkrankungen wie Asthma oder Allergien gelitten haben – und nicht erst nach der oder durch die OP.

Konsequenzen aus der Studie?
Für Eltern, deren Kinder häufig an Mandelentzündungen leiden, bleiben die Fragen: Ist eine Entfernung der Mandeln sinnvoll und wirklich notwendig? Überwiegt der Nutzen mögliche Langzeitfolgen, wie sie z. B. die dänische Studie zeigt?

Ein Blick in die aktuellen Therapieleitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften macht die schwierige Situation deutlich: „Es besteht weiterhin ein dringender Forschungsbedarf.“ Als Empfehlung zur Entfernung der Gaumenmandeln wird hier die Zahl der Mandelentzündungen zugrunde gelegt:

Bei weniger als drei eitrigen Mandelentzündungen in den letzten zwölf Monaten, die mit Antibiotika behandelt werden mussten, ist eine Mandelentfernung keine Option. Bei drei bis fünf dieser Erkrankungsfälle ist die Operation eine mögliche Option. Ab sechs eitrige Entzündungen in den letzten zwölf Monaten, die mit Antibiotika behandelt werden mussten, ist die Mandelentfernung hingegen eine therapeutische Option.

Auch eine Allergie gegen Antibiotika kann eine Mandel-OP notwendig machen. Aber immer gilt: Es sollte eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Der wichtigste Tipp für Eltern ist sicherlich: Wenden Sie sich an einen Arzt Ihres Vertrauens. Informieren Sie sich sowohl bei Ihrem Kinderarzt als auch beim HNO-Facharzt. Lassen Sie sich ausführlich beraten und zögern Sie nicht, den Arzt zu wechseln, wenn Sie sich mit Ihren Fragen und Sorgen nicht verstanden fühlen.

Studienquelle: Byars SG, Stearns SC, Boomsma JJ. Association of Long-Term Risk of Respiratory, Allergic, and Infectious Diseases With Removal of Adenoids and Tonsils in Childhood. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online June 07, 2018. doi:10.1001/jamaoto.2018.0614

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