Thema heute: Meine Küche gehört mir ...

… leider nicht alleine. Schon zu WG-Zeiten fand ich manchmal ein mit Leberwurstresten verklebtes Messer in der Spüle. Da nutzte es dann auch nichts mehr, wenn alle Mitbewohner „Smörebröd Smörebröd röm töm töm töm” sangen, damit ich etwas Leckeres kochte.

Ich teile wirklich gern. Im Moment ist es aber eher so, dass meine Küche mein Refugium ist, zumal zeitweise ein Isnogud mitarbeitet. Ja, der aus dem alten Comic, der ganz dienstbeflissen und hilfsbereit ist, in Wahrheit aber nur den einen Gedanken in sich trägt: Wie kann ich Großwesir anstelle des Großwesirs werden? Der Keim der Revolution zu Gast in meiner Küche – das geht nicht!

Mein Kollege berichtete neulich von etwas viel Schlimmerem: Eines Abends stand bei ihm, Nichtraucher, Vegetarier und zum leichten Reinlichkeitswahn neigend, der neue Nachbar vor der Tür. Sein Backofen war ausgefallen. Ob er denn einen Lammbraten für seine Gäste bei ihm zubereiten und in seinen Backofen schieben könne?

Mein Freund stimmte bereitwillig zu, was er schnell bereute. In Nullkommanix lagen überall Leichenteile in der Küche herum und oftmals war der Satz „Ich mach gleich alles sauber“ zu hören. Tote Tiere, und dazu auch noch junge, passten einfach nicht in sein Leben. Anstatt „Nein“ zu sagen, erfasste ihn aber der vegan-missionarische Eifer. Doch was nützt dem Wissenden sein Wissen, wenn es ihm keine Macht verleiht? Sein Küchengast wollte natürlich, gerade jetzt, die guten Ratschläge und Ernährungstipps nicht hören und wurde immer wortkarger.

Nun, dieses Gesundheitsbewusstsein ist eigentlich eine gute Sache. Doch ich bin in meinem Leben einigen Ernährungspäpsten begegnet, die sich auf ihre grundlegenden Einstellungen eine Menge einbilden. Sie halten sich für schlauer und weiter entwickelt als der Rest der Gemeinde, die im Gegensatz zu ihnen noch im Sumpf der Masthähnchen-Liga festzustecken scheinen. Da wird leider oft übersehen, dass die Ernährungslehre klar aussagt, dass jeder Körper anders verstoffwechselt und wir es mit einer höchst individuellen Konstitutionslehre zu tun haben.

Aber zurück zu meinem Freund: Was tun, wenn der Nachbar mit totem Tier vor der Tür steht? Vielleicht ist es für den Wissenden gut, an dieser Stelle nicht viele Worte zu machen, sondern für ein paar Stunden in der Stille des gesunden Nichtwissens zu leben. Eine erfrischende Einfachheit, ein entspannter Blick auf die Welt, die sich gerade mit Lammbraten offenbart. Ist Teilen hier völlig okay oder ist eine Grenze des Miteinanders erreicht? Ich weiß es nicht und es ist auch nicht wichtig, weil es mir nicht passiert ist. Im Ernstfall werde ich angemessen reagieren. Da bin ich mir sicher.

Zum Umgang mit Ernährungsratschlägen kann ich empfehlen, dass es zwar gesichertes Wissen gibt, die allermeisten Berater auch seriös weiterhelfen. Dennoch gilt immer auch der Grundsatz, keinen Lehren zu glauben, nur weil Sie sie gehört haben oder andere dieser Meinung sind. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild, probieren Sie aus und bringen Sie in Erfahrung, ob es auch für Sie und Ihre ganz individuelle Körper-Geist-Natur zutreffend ist. Begegnen Sie dem Essen mit Freude. Es geht nicht darum, Freiheit einzuschränken, sondern Freiheit von z. B. Industrieprodukten zu geben, Freiheit, sich auf seine ureigenste Art zu verhalten und zu handeln, genug freundlich zu sich selbst zu sein.

Für meinen Freund endete die Lammbraterei übrigens mit einer Einladung zum Grillen für sich und seine Familie. Na, liegen dann bestimmt ein paar Veggie-Sticks neben dem Halskotelett.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen weiterhin einen wunderbaren Sommer!

Ihr
Ralf Brendt