Das Symbolbild zeigt eine stillende Mutter und ihr Kind.
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Nationale Stillstrategie beschlossen.

Stillen soll gefördert werden.

Stillen ist gut für Mutter und Kind. Doch Stillquote und -dauer sind in Deutschland bei weitem noch nicht so, wie es Fachleute empfehlen. Eine Studie zeigt Wege für die von der Bundesregierung beschlossene „Nationale Strategie zur Stillförderung“.

08.08.2021

Muttermilch ist für Säuglinge ein wahrer Wundertrank für Gesundheit und Entwicklung. Gestillte Kinder sterben seltener am Plötzlichen Kindstod und erkranken im ersten Lebensjahr auch seltener an Durchfall- und Atemwegserkrankungen sowie Mittelohrentzündungen, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausführt.

Die Wirkungen halten auch über die Stillzeit hinaus bis ins Kinder- und Erwachsenenalter an, so dass gestillte Kinder auch später seltener übergewichtig werden und an Typ-2-Diabetes erkranken. Die Muttermilch ist ein kostenloses und optimales Nahrungsmittel für Säuglinge und es wird empfohlen, in den ersten sechs Monaten – mindestens in den ersten vier Monaten – ohne Zugabe von Beikost zu stillen. Nach einer im Jahr 2018 veröffentlichten Studie folgen 68% der Mütter zunächst dieser Empfehlung, zwei Monate später sind es 57% und nach vier Monaten 40%. Nach sechs Monaten sind es nur noch 13%.1 Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit nur bedingt als „stillfreundlich“ zu bezeichnen.

Faktoren, die Stillen begünstigen oder behindern

Wo liegen die Ursachen dafür, dass Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten nur von relativ wenigen Mütter als das Mittel der Wahl angesehen wird, wo doch die Vorteile sehr groß sind und keine zusätzlichen Kosten entstehen? Die Bundesregierung hat unter der Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die Studie „Becoming Breastfeeding Friendly (BBF)“ in Zusammenarbeit mit der Universität Yale durchführen lassen, um systematisch herauszufinden, welche Faktoren wichtig für die Stillförderung in Deutschland sind.

Die Forscher*innen untersuchten acht Handlungsfelder, die wie Zahnräder in ihrer Wirkung ineinandergreifen und für die Akzeptanz und Verbreitung wichtig sind. Die Ergebnisse werden in einem „Score“ erfasst, der Deutschland international vergleichbar macht.

Quelle: BLE, 2021, www.gesund-ins-leben.de

  • Handlungsfeld Anwaltschaft
    Gibt es öffentliche Fürsprache für das Stillen durch Prominente?
    Score für Deutschland: mittelmäßig
  • Handlungsfeld Politischer Wille
    Unterstützen politische Entscheidungsträger das Stillen öffentlich?
    Score für Deutschland: mittelmäßig
  • Handlungsfeld Gesetzgebung
    Werden Schwangere und junge Mütter gesetzlich geschützt?
    Score für Deutschland: hoch
  • Handlungsfeld Finanzierung
    Werden stillfördernde Maßnahmen angemessen finanziert?
    Score für Deutschland: hoch
  • Handlungsfeld Bildung & Stillberatung
    Vermitteln Aus-, Fort- und Weiterbildung ausreichendes und zeitgemäßes Fachwissen zum Thema Stillen? Erhalten alle Frauen kompetente Stillberatung?
    Score für Deutschland: mittelmäßig
  • Handlungsfeld Werbung
    Wird das Stillen öffentlichkeitswirksam beworben?
    Score für Deutschland: niedrig
  • Handlungsfeld Forschung & Evaluation
    Findet ein regelmäßiges Stillmonitoring statt und werden stillfördernde Maßnahmen angemessen kontrolliert?
    Score für Deutschland: niedrig
  • Handlungsfeld Zielsetzung & Koordination
    Werden Maßnahmen der Stillförderung zentral koordiniert?
    Score für Deutschland: mittelmäßig


    Quelle: Liste bearbeitet nach Angaben des Netzwerks „Gesund ins Leben“ im Bundeszentrum für Ernährung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

Es zeigt sich, dass der gesetzliche Schutz von (stillenden) Müttern in Deutschland ein hohes Niveau hat, ebenso die finanzielle Absicherung von Müttern allgemein. Doch das allein genügt scheinbar nicht, wie die Zahlen zeigen.

So offenbaren zum Beispiel die teils hitzig geführten Diskussionen über Stillen in der Öffentlichkeit einen Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat die Frage der „Zulässigkeit des Stillens in Cafés und Gaststätten“ in einem Sachstandsbericht erörtert – mit einer überwiegend positiven Beurteilung der Rechte von stillenden Müttern.2

Doch es wäre zu einfach, sich nur über das rückständige Denken derjenigen zu beklagen, die sich vom Anblick einer stillenden Mutter gestört fühlen. Breite Akzeptanz zu schaffen ist eine Aufgabe, die Politik und Gesellschaft mit Empfehlungen und Leitlinien gemeinsam lösen müssen.

Ein stillfreundliches Umfeld schaffen

Mit der Entscheidung der Bundesregierung ist der Weg frei zur Weiterentwicklung und Umsetzung von Empfehlungen, die auf der Basis der Studie Becoming Breastfeeding Friendly bereits vom Netzwerk „Gesund ins Leben“ grob skizziert wurden.

Auch auf dem mit „gut“ bewerteten Feld „Gesetzgebung“ gibt es demnach noch Handlungsbedarf. Da ist zum einen die „Nationale Stillkommission“, die über Strategieentwicklung und Beratung stärkeren Einfluss auf die Politik haben soll, zum anderen sind es regulative Maßnahmen für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten, deren Einhaltung und Ausweitung geprüft werden sollen.

Ein Faktor sei auch der politische Wille, der sich durch aktive und wahrnehmbare Bekenntnisse zum Stillen als positiver Wert für Kind, Mutter und Gesellschaft zeigen sollte. Sicherlich könnten auch Prominente durch Bekenntnis zu einer besseren Stillquote beitragen, durch öffentliche Äußerungen oder im Rahmen einer Werbekampagne.

Ein weiterer Baustein sei die die höherwertige Verankerung von Stillförderung und -beratung bei schwangeren Frauen und jungen Familien durch Leitlinien und Empfehlungen, die Ärzt*innen und Gesundheitspersonal bei ihrer Arbeit unterstützen.

Wie diese und weitere Vorschläge ausgestaltet werden, hängt sicherlich auch vom Ausgang der Bundestagswahl am 26. September ab, doch es gibt keinen Anlass für eine Befürchtung, nach der Wahl könnte die einmal eingeschlagene Richtung wieder in eine rückwärtsgewandte Sicht umschlagen.

Denn wer eine kinder- und familienfreundliche Republik will (und das wollen bekanntlich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen), der muss auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden. Wertschätzung erschöpft sich nicht in Steuererleichterungen und Zuwendungen für Mütter/Eltern, sondern ist auch und vor allem eine Frage des familienfreundlichen und respektvollen Umgangs miteinander. Dazu gehört das Stillen als natürliche Form der Säuglingsernährung einfach dazu: mit vielen neu zu schaffenden Informationsmöglichkeiten und unterstützenden Maßnahmen.

Die im Rahmen der Studie Becoming Breastfeeding Friendly erarbeiteten Handlungsfelder greifen wie Zahnräder ineinander. Wenn eines nicht oder nur schlecht funktioniert, nimmt auch das Getriebe Schaden. Das legt die Messlatte auf ein anspruchsvolles Niveau.

Wir werden das Thema weiter verfolgen und in lockerem Abstand informieren.

1 Brettschneider AK, von der Lippe E, Lange C. Stillverhalten in Deutschland – Neues aus KiGGS Welle 2. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2018; 61 (8): 920-925

2 Weitergehende Information siehe Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Thema „Zulässigkeit des Stillens in Cafés und Gaststätten“

Bildquellen: © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com; BLE, 2021, www.gesund-ins-leben.de