Autorin Anne Iburg im Interview

Nachfragen zum Lesetipp

Anne Iburg
Mit Hafer gegen die Fettleber
Leberfasten: Mit 80 Rezepten für die Haferkur

TRIAS Verlag, Stuttgart. 2024.
Buch EUR [D] 19,99 EUR [A] 20,60
EPUB EUR [D] 15,99 EUR [A] 15,99
ISBN Buch: 9783432118710
ISBN EPUB: 9783432118727

Stand: 01.02.2024

Belazona: Zunächst möchte ich mit Ihnen über die Verbreitung von Fettlebererkrankungen sprechen. Es gibt Daten der gesetzlichen Krankenkassen, nach denen fast fünf Prozent der Versicherten an einer nicht-alkoholischen Fettleber leiden. Spiegelt sich diese Situation in Ihrer täglichen Arbeit wider?

Iburg: Ich würde sagen, dass bei mir in der Ernährungsberatung der Anteil der Patienten mit einer Fettleber, die durch eine falsche oder hoch-kalorische Ernährung entstanden ist, höher als 5 % ist, weil zu mir oft Menschen mit einem BMI über 30 kommen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Beratung ab diesem Wert von der Krankenkasse bezuschusst wird.

Belazona: Sehen Sie aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung eine Tendenz in der Verbreitung?

Iburg: Wenn ich als Entwicklung sehe, dass immer mehr Menschen übergewichtig sind, dann würde ich vermuten, dass auch das Krankheitsbild der Fettleber weiter zunimmt. Bei mir in der Praxis kann ich das nicht sagen, denn zu mir kommen übergewichtige Menschen, die eine Ernährungsberatung benötigen. Ich sehe allerdings, dass das Gewicht der Menschen, die zu mir kommen, in den letzten zehn Jahren höher geworden ist.

Belazona: Ist „die Fettleber“ eher männlich oder weiblich nach Ihrer Erfahrung?

Iburg: Sie ist geschlechtsunabhängig. Bei mir sind vielleicht mehr Frauen mit Fettleber, weil Frauen eher zu einer Ernährungsberatung kommen.

Belazona: Männer sind da eher zurückhaltend, was die Beratung angeht? Sagen die eher, mein Bauch gehört zu mir?

Iburg: Männer haben vielleicht nicht einen so hohen Leidensdruck wie Frauen. Für eine Frau ist der gesellschaftliche Druck, schlank zu sein, scheinbar wichtiger als für einen Mann.

Belazona: Wenn eine Patientin oder ein Patient mit Übergewicht zu Ihnen kommt, denken Sie dann gleich an die Fettleber oder ist das bereits durch eine Ärztin/einen Arzt festgestellt? Wie gehen Sie da vor?

Iburg: Als Ernährungsberaterin stelle ich keine Diagnose. Zu mir kommen hauptsächlich übergewichtige Menschen mit einer ärztlichen Bescheinigung für eine Ernährungsberatung, weil sie zum Beispiel unter einer Adipositas oder Diabetes leiden. Nicht alle, aber einige, bringen auch ihre Blutwerte mit, und da sieht man dann manchmal auch, dass die Leberwerte nicht in Ordnung sind. Darauf angesprochen, hat eher selten ein ärztliches Beratungsgespräch speziell über die Fettleber stattgefunden. Dass das ein eigenes Krankheitsbild ist, ist nicht im allgemeinen Bewusstsein verankert. Ich will die Patientinnen und Patienten dann auch nicht verunsichern und sage oft, das behandeln wir einfach mit.

Belazona: Seit noch nicht allzu langer Zeit gibt es die sogenannte „Abnehmspritze“. Wie bewerten Sie das und spielt das in Ihren Beratungsgesprächen eine Rolle?

Iburg: Als das Thema letzten Oktober/November sehr stark in den Medien vertreten war, haben schon einige Patientinnen und Patienten gefragt, was ich davon halte und wie sie diese Spritze bekommen können. Das hat aber nach dem Medienereignis auch wieder nachgelassen und wird heute nur noch ab und zu nachgefragt.

In den Medikationslisten sehe ich bei einigen Patientinnen und Patienten mit Diabetes Mellitus Typ II, dass die Spritze verordnet wurde. Ob es hilft, kann ich nach der kurzen Zeit noch nicht sagen, aber ich würde mich natürlich freuen, wenn die Patientinnen und Patienten auf diesem Wege eine Hilfestellung erhalten könnten. Seine Lebensweise und die Ernährungsgewohnheiten zu verändern, ist wirklich schwer, und wenn es dann eine Unterstützung gibt, ist das gut. Allerdings stellt sich die Frage, ob einem wirklich damit geholfen ist, wenn man es auf Dauer braucht. Da sollte schon eine Verhaltensumstellung stattfinden.

Belazona: Das ist eine gute Überleitung zur nächsten Frage: Viele Menschen finden, unsere Zeit ist geprägt von Alltagshektik. Beruf, Familie, Freizeitaktivitäten, Social Media und die allumfängliche Erreichbarkeit konkurrieren mit dem Bedürfnis nach Ruhe und tatsächlicher Erholung. Haben die Menschen heute aus Ihrer beruflichen Erfahrung heraus ausreichend Zeit, um achtsam mit Ihrer Ernährung umzugehen?

Iburg: Das ist unterschiedlich: Der eine schafft es, sich die Zeit zu nehmen und eine gesunde Ernährung in den Alltag einzubauen, andere wiederum nicht. Die sagen dann, ich schaffe das einfach nicht, obwohl das Bewusstsein für die Notwendigkeit vorhanden ist. Oft ist ein gutes Allgemeinverständnis für den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ernährung vorhanden, und häufig mangelt es dann daran, sich zu motivieren, diese teils einschneidenden Veränderungen durchzuführen und an den Erfolg zu glauben. Viele, die zu mir kommen, haben ja schon eine lange Geschichte von nicht erfolgreichen Diäten und Abnehmversuchen hinter sich. Sie erzählen dann von fünf oder sechs Diäten, die sie schon gemacht haben und die alle nicht geholfen haben.

Belazona: Gibt es mentale Strategien, die sie Ihren Patientinnen und Patienten empfehlen?

Iburg: Eine wichtige Sache fällt oft sehr schwer, weil die Ungeduld groß ist: Man muss kleine Schritte machen und ausprobieren, was geht. Das, was geht, muss man umsetzen und trainieren, um dann wieder den nächsten Schritt zu machen.

Belazona: Was berichten Ihnen Ihre Patientinnen und Patienten nach Beginn der Therapie?

Iburg: Routinemäßig findet das erste Treffen nach der Ernährungsumstellung zwei Wochen später statt und die Rückmeldungen sind auch hier unterschiedlich. Manche sind überrascht, wie gut es funktioniert, andere sind verzweifelt, weil sie es nicht umgesetzt bekommen und aus ihrer Gewohnheit einfach nicht herauskommen.

Belazona: Welche Gewohnheiten sind es, aus denen diese Menschen nicht herauskommen?

Iburg: Es ist leider so, dass einige Menschen sehr viel Zeit für andere aufbringen müssen, die ihnen dann für sich selbst fehlt. Sie richten sich sehr stark nach dem, was andere machen oder was andere an Essenserwartungen haben. Ein praktisches Beispiel: Die sagen dann, ich mag Haferbrot, aber der Rest der Familie nicht und allein kann ich kein ganzes Haferbrot essen.

Dann schlage ich vor, das Haferbrot in Scheiben einzufrieren und portionsweise für sich selbst zu holen, während die anderen ihr gewohntes Brot essen. Wichtig ist auch, keine inneren Konflikte zu haben, wenn man etwas anderes isst als der Rest der Familie. Daran darf man sich nicht stören.

Belazona: Wir haben über Probleme gesprochen. Beleuchten wir jetzt einmal diejenigen, die erfolgreich in der Umsetzung sind. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Gruppe?

Iburg: Das sind sehr oft Menschen, die es in Ernährungsfragen geschafft haben, sich von ihrem Umfeld zu lösen, oder die von ihrem Umfeld bei der Ernährungsumstellung unterstützt werden. Ich finde das immer toll, wenn mir jemand erzählt, meine Frau oder mein Mann macht das jetzt auch und da sieht man bei ihr oder ihm auch, wie das Gewicht runtergeht. Dann profitiert zum Teil die ganze Familie von der Ernährungsberatung.

Belazona: Bei Medikamenten gibt es Neben- und Wechselwirkungen. Was ist bei einer Haferkur in dieser Hinsicht zu beachten, beispielsweise bei Laktoseintoleranz oder Zöliakie?

Iburg: Bei einer Laktoseintoleranz kann man auf laktosefreie Milchprodukte ausweichen. Das ist nicht schwierig. Bei einer Zöliakie ist seit ein paar Jahren Hafer erlaubt. Man glaubt, dass das Hafer-Gluten Avenin keinen Einfluss auf den Dünndarm der Zöliakie-Patienten hat. Ich persönlich hatte noch nie einen Zöliakie-Patienten, der eine Haferkur macht. Ich wäre da vorsichtig, weil bei einer Haferkur die zugeführte Menge sehr groß ist. Da würde ich mich im Einzelfall auch bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft rückversichern.

Belazona: Was war der größte Erfolg, den sie je erlebt haben?

Iburg: Der Erfolg wird vordergründig in der Gewichtsabnahme bemessen, wie es mit der Entwicklung der Fettleber aussieht, kann ich nicht untersuchen. Ich hatte schon Fälle, bei denen Menschen konservativ, also ohne bariatrische OP, 60 Kilo im Jahr abgenommen haben. Das waren in meiner Praxis dann eher Männer als Frauen, weil das Abnehmen rein von der Biologie her Männern leichter fällt. Bei Frauen wäre dann schon eine Abnahme von 30 Kilo ein vergleichbarer Erfolg. Allerdings fällt Männern das Abnehmen auch leichter, da sie sich besser darauf fokussieren können. Nach meiner Erfahrung kommt der Mann von der Arbeit nach Hause und hat dann Freizeit. In meiner Beratung sind Frauen im Gegensatz zu Männern häufig doppelt und dreifach belastet. Sie haben einen Job, haben Kinder, müssen sich unter Umständen noch um die Mutter oder Schwiegermutter kümmern und sind viel mehr belastet als die Herren, die zu mir kommen.

Belazona: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Anne Iburg
Diätassistentin und Diplom Oecotrophologin, schreibt seit über 25 Jahren Ernährungsratgeber. Aus ihren Ernährungs-Beratungen weiß sie, dass vielen Betroffenen eine Umstellung ihres Lebensstils nicht leichtfällt, da die Fettleber erst einmal nicht wehtut. Die einfachen Rezepte rund um die Haferflocke machen den Einstieg in eine leberfreundliche Ernährung leichter.

Bildquelle: © T.W. Klein/Thieme