Gicht

Gicht ist eine der häufigsten Stoffwechselkrankheiten in den Industrieländern – und eine typische Wohlstandserkrankung. So betrifft die wichtigste Behandlungsmaßnahme denn auch die Lebensweise: Mit der richtigen Ernährung lässt sich der Harnsäurespiegel im Blut und somit auch das Risiko weitere Gichtanfälle zu erleiden, effektiv senken.

Was ist Gicht?

Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, die sich durch schmerzhafte Schwellungen und Entzündungen der Gelenke äußert. Diese können schubweise auftreten und den Alltag je nach Schwere vollständig lahmlegen. Zunächst ist die Erkrankung akut und zeigt sich in Form eines ersten Gichtanfalls meist im Grundgelenk des großen Zehs. Treten diese Anfälle jedoch häufiger auf, spricht man von einer chronischen Gicht. Sie kann prinzipiell jedes Gelenk des Körpers befallen und ohne eine angemessene Behandlung in dauerhaften Gichtanfällen aufgehen.

Wer ist betroffen?

Generell sind Männer besonders häufig betroffen: 90 – 95 Prozent der Gichtkranken sind männlich. Dies liegt vor allem daran, dass bei 20 – 30 Prozent der Männer in den Industrieländern der Harnsäurespiegel erhöht ist – Mediziner sprechen hier von einer Hyperurikämie. Nur bei drei Prozent der Frauen ist das der Fall. Jeweils 10 Prozent der Menschen mit Hyperurikämie erkranken an Gicht.

Bei Männern tritt der erste Gichtanfall meist im Alter von 40 – 60 Jahren auf, bei Frauen erst nach den Wechseljahren, im Schnitt im Alter von 50 – 60 Jahren. Es wird vermutet, dass die weiblichen Geschlechtshormone vor den Wechseljahren einen gewissen Schutz vor Hyperurikämie und Gicht bieten. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der Gichtkranken zu und liegt bei bis zu sieben Prozent aller Männer und drei Prozent aller Frauen.

Häufiger tritt die typische Wohlstandskrankheit Gicht bei übergewichtigen Menschen auf. Eine mögliche Erklärung dafür wird in der Insulinresistenz von Übergewichtigen gesehen, die sich negativ auf den Harnsäurespiegel im Blut auswirkt. Ebenso hat Bluthochdruck, der oft in Verbindung mit Übergewicht vorliegt, einen negativen Effekt auf die Harnsäurekonzentration im Blut.

Wie entsteht Gicht?

Ursache für eine Gichterkrankung ist die sogenannte Hyperurikämie. Dabei handelt es sich um einen erhöhten Harnsäurespiegel im Blut, der durch einen gestörten Purinstoffwechsel zustande kommt. Purin ist ein lebenswichtiger Bestandteil der Zellkerne jedes Lebewesens. Wir produzieren ihn selbst (endogen) und nehmen ihn ebenfalls über unsere Nahrung auf (exogen). Purin ist unter anderem für die Übertragung von genetischen Informationen bei der Zellvermehrung verantwortlich.

Wird Purin im Körper abgebaut – ein natürlicher und alltäglicher Stoffwechselprozess –, entsteht Harnsäure, die zu 70 – 80 Prozent über die Nieren ausgeschieden wird. Die restliche Harnsäure scheiden wir über den Darm aus. Wenn jedoch mehr Harnsäure gebildet wird, als wir ausscheiden können, entweder durch eine vermehrte Produktion oder eine verminderte Ausscheidung, dann steigt der Harnsäurespiegel im Blut und der Mediziner spricht von einer Hyperurikämie.

Je nach Schwere und Dauer einer solchen Hyperurikämie können erste Gichtanfälle ausgelöst werden. Gicht entsteht dadurch, dass aufgrund einer Hyperurikämie so viel Harnsäure im Blut vorhanden ist, dass diese sich nicht vollständig darin auflösen kann. Die Folge: Es bilden sich kristalline Ablagerungen von Harnsäure in Geweben (Gichttophoi), Gelenken (Arthritis urica) oder den Nieren (Nierengrieß/Nierenstein). Diese Ablagerungen führen dann zu Schwellungen, Entzündungen und zu starken Schmerzen – zum Gichtanfall.

Welche Arten von Gicht werden unterschieden?

Grundsätzlich wird zwischen einer primären und einer sekundären Gicht unterschieden. Beide Arten treten zunächst akut als vorübergehender Gichtanfall auf und werden bei unzureichender Behandlung zu einer chronischen Krankheit mit immer häufiger und intensiver werdenden Anfällen.

Primäre (familiäre) Gicht
Die primäre oder auch familiäre Gicht ist die häufigste Form der Krankheit. Hierbei handelt es sich um eine vererbte Stoffwechselstörung, die in 99 Prozent der Fälle die Harnsäureausscheidung vermindert. Bei einem Prozent der Betroffenen sorgt sie hingegen für eine vermehrte Harnsäurebildung.

Vor allem bei einer purinreichen Ernährung führt diese Stoffwechselstörung zu Hyperurikämie und infolge dazu zu Gicht. Auch geht eine Hyperurikämie bei einer primären Gicht oft mit Diabetes mellitus, Adipositas und Fettstoffwechselstörungen einher.

Sekundäre Gicht
Eine sekundäre Gicht tritt im Vergleich zu einer primären Gicht seltener auf. Hierbei kommt es zu Hyperurikämien als Folge von anderen Erkrankungen oder von der Einnahme bestimmter Medikamente. Unterschieden wird auch hier zwischen der sekundären Gicht mit vermehrtem Harnsäure-Anfall und der sekundären Gicht mit verminderter Harnsäure-Ausscheidung.

Wie erkennt der Arzt eine Gicht?

Ein erhöhter Harnsäurespiegel ist im Blut leicht vom Arzt mit Hilfe eines Blutbildes erkennbar. Da sich dieser Wert jedoch zunächst nicht äußerlich bemerkbar macht, ist es unwahrscheinlich, dass er entdeckt wird, bevor es zu einem ersten Gichtanfall kommt. Wenn Sie die typischen Anzeichen eines Gichtanfalls aufweisen, also anhaltende schmerzhafte Entzündungen und Schwellungen an Ihren Gelenken, sollten Sie in jedem Fall einen Arzt aufsuchen. Dieser wird Ihnen Blut abnehmen und eine Hyperurikämie und eine Gicht anhand des Blutbildes leicht feststellen bzw. ausschließen können.

Wie wird Gicht behandelt?

Eine Hyperurikämie ist nicht immer behandlungsbedürftig. Ihr Arzt wird jedoch nach der Feststellung einer Gicht oder anderer Folgeerkrankungen eine Behandlung erwägen und diverse Risikofaktoren mit Ihnen gemeinsam ermitteln und angehen. Dazu zählen die Einnahme bestimmter Medikamente, Übergewicht, Alkoholkonsum, unausgewogene Ernährungsgewohnheiten, Diabetes, eine Insulinresistenz oder eine genetische Veranlagung. Gicht wird vorrangig mit einer purinarmen Ernährung behandelt. Außerdem können unterstützend verschiedene Medikamente eingesetzt werden.

Grundsätzlich gilt: Eine Gicht kann nicht geheilt werden, aber mit der richtigen Behandlung kann ein Fortschreiten der Krankheit verhindert und die Häufigkeit und Intensität der Gichtanfälle reduziert werden.

Die medikamentöse Behandlung
Gegen einen akuten Gichtanfall kann der Arzt Medikamente verschreiben und verschiedene Allgemeinmaßnahmen verordnen. Entzündungshemmende kortisonfreie Antirheumatika werden häufig gegen die bei Gichtanfällen auftretenden rheumatischen Beschwerden verschrieben. Außerdem kann Colchicin oder ein Kortisonpräparat als Tabletten oder Spritze ins Gelenk eingesetzt werden.

Ihr Arzt wird Ihnen außerdem empfehlen, das betroffene Gelenk hochzulagern und bei besonders schweren Gichtanfällen Bettruhe zu halten. Ebenso wird er Ihnen kühlende Umschläge, viel Flüssigkeit und eine leichte, purinarme Kost verordnen.

Bei einer chronischen Gicht werden Medikamente auch für einen längeren Zeitraum verordnet. So wird Colchicin für einige Monate begleitend zur übrigen Medikation zur Vorbeugung von weiteren Gichtanfällen eingesetzt. Hierzu kann Allopurinol, ein sogenanntes Urikostatikum, zur Unterdrückung der Harnsäurebilung eingesetzt werden. Auch denkbar sind diverse Urikosurika, also Medikamente, die die Ausscheidung von Harnsäure anregen, wie zum Beispiel Benzbromaron.

Außerdem können Medikamente gegen Schmerzen und Entzündungen sowie Febuxostat eingesetzt werden. Letzteres senkt alternativ zu Allopurinol den Harnsäurespiegel, wenn es bereits zu kristallinen Harnsäureablagerungen gekommen ist.

Der ernährungsmedizinische Ansatz
Die wichtigste Behandlungsmaßnahme bei einer Gicht ist die Umstellung der Ernährung. Mit der richtigen Ernährung lässt sich der Harnsäurespiegel im Blut und somit auch das Risiko weiterer Gichtanfälle effektiv senken. Hierzu ist die Aufstellung eines gesunden und purinarmen Ernährungsplans gemeinsam mit Ihrem Arzt wichtig. Dieser wird Ihnen verordnen, die Menge an Purin zu reduzieren, die Sie über Ihre Nahrung aufnehmen. So kann langfristig der Harnsäurespiegel im Blut gesenkt werden, damit Harnsteinablagerungen im Gewebe, in den Gelenken und in Organen, die zu den schmerzhaften Gichtanfällen führen, vermieden werden können.

Lebensmittel mit hohem Purin- oder Harnsäuregehalt sollten unbedingt vermieden oder nur in Maßen genossen werden. Dazu zählen Hefe, Hefeextrakte, Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie Fisch und Fischerzeugnisse. Sie werden nicht ganz auf Fleisch und Fisch verzichten müssen, aber Ihr neuer Ernährungsplan wird Sie auffordern, den Verzehr je nach Schwere Ihrer Hyperurikämie mehr oder weniger einzuschränken. Ganz verzichten sollten Sie jedoch auf Innereien und Haut, die besonders purinreich sind.

Durch die Einschränkung Ihres Fleisch- und Fischverzehrs werden besonders pflanzliche Eiweißquellen als Alternativen für eine ausgewogene Ernährung wichtig sein. Da tierisches Protein oft besser verwertbar ist als pflanzliches, muss geschickt kombiniert werden. So kann zum Beispiel Ei mit Kartoffeln in einem Gratin oder Getreide mit Milch in einem Müsli auf dem Speiseplan stehen.

Milchprodukte regen die Ausscheidung von Harnsäure an. Dieser Effekt wird den Milchproteinen Kasein und Laktalbumin zugeschrieben. Daher ist ein täglicher Verzehr dieser Lebensmittel oft ein fester Bestandteil des Ernährungsplans von Gichtpatienten. Hier muss jedoch auf möglichst fettarme Produkte zurückgegriffen werden, da eine hohe Fettzufuhr die Entstehung der sogenannten Ketonkörper begünstigt, die die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren hemmen.

Insgesamt ist auch Maßhalten für Gichtkranke angesagt. Hungern und Dursten sind ebenso zu vermeiden wie zügelloses Schlemmen. Ein schneller Gewichtsverlust, etwa durch Fasten, führt zu Muskelabbau und erhöht dadurch den körpereigenen Purinabbau und damit die Produktion von Harnsäure. Dies wiederum provoziert einen Gichtanfall.

Besonders wichtig ist die Flüssigkeitsaufnahme. Ihr Arzt wird Ihnen raten, täglich zwei bis drei Liter Wasser mit oder ohne Kohlensäure, Frucht- und Gemüsesäfte, Saftschorlen oder Tee zu sich zu nehmen. Kaffee scheint einen positiven Einfluss auf die Harnsäurekonzentration im Blut zu haben und muss daher wegen der Gicht nicht eingeschränkt werden. Auf Alkohol sollte hingegen weitgehend verzichtet werden, da dieser die endogene, also die körpereigene Harnsäureproduktion erhöht und gleichzeitig die Ausscheidung hemmt. Bier enthält zudem viele Purine und kann daher auch nicht in der alkoholfreien Variante als Ersatz dienen.

Obst, Rohkost, Salat und Gemüse sind meist purinarm oder gar purinfrei und enthalten viele Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Ballaststoffe. Sie gehören daher zu den wichtigsten Elementen einer purinarmen Ernährung und stehen bei der Behandlung von Gicht auf jedem Ernährungsplan. Bei Getreide und Getreideprodukten sind Vollkornvarianten zu bevorzugen.

Durch Kochen werden Lebensmitteln die Purine entzogen. Daher sollten Sie Fleischbrühe vermeiden. Außerdem bieten sich schonende und fettarme Zubereitungsarten für Ihre purinarme Kost an, wie etwa das Dünsten, Dämpfen oder das Grillen.

Ein letzter Tipp: Ein wichtiger Bestandteil des ernährungsmedizinischen Ansatzes ist auch die Bewegung. Da regelmäßiger Ausdauersport den Harnsäurespiegel senkt, kann der Arzt Ihnen auch nahelegen, sportlich aktiv zu werden.

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