Schizophrenie
Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung mit vielen Erscheinungsbildern. Das betrifft die Symptome, den Verlauf der Erkrankung und die Prognose. Menschen mit Schizophrenie leiden unter einer Störung des Denkens und der Wahrnehmung – entgegen der landläufigen Meinung haben sie keine gespaltene Persönlichkeit. Schwere Formen der Schizophrenie haben weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen, aber auch für Familie und Freunde.
Was ist eine Schizophrenie?
Bei einer Schizophrenie sind verschiedene psychische Bereiche gestört, in erster Linie Wahrnehmung, Gefühle, Denken, Ich-Funktionen, Antrieb und Psychomotorik. Zum klinischen Erscheinungsbild zählen sowohl in Schüben auftretende akute schizophrene Phasen als auch chronische Krankheitsverläufe. Die Symptome reichen von Antriebslosigkeit über Wahn und Halluzinationen bis hin zum dauerhaften Verlust des Realitätsbezugs.
Wer ist betroffen?
Schizophrenie ist keine seltene Krankheit: Die Wahrscheinlichkeit, mindestens einmal im Leben von einer Schizophrenie betroffen zu sein, beträgt weltweit zwischen 0,5 – 1,6 Prozent, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
Erstmals tritt die Erkrankung zumeist zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr auf, bei Männern im Durchschnitt etwa 3-4 Jahre früher.
Wie entsteht eine Schizophrenie?
- Erbliche Faktoren
Schizophrenie tritt häufig in vorbelasteten Familien auf. Da die Wahrscheinlichkeit bei eineiigen Zwillingen, gleichzeitig eine Schizophrenie zu entwickeln, nur bei etwa 60 Prozent liegt, wird eine rein erbliche Ursache ausgeschlossen. Die Veranlagung zur Schizophrenie scheint vererbbar zu sein, die Erkrankung selbst nicht. - Veränderungen bestimmter Botenstoff-Systeme
Botenstoffe (Neurotransmitter) übertragen Signale von einer Nervenzelle zur nächsten. Häufig wird bei der Schizophrenie ein Überschuss des Neurotransmitters Dopamin festgestellt. Auch die Botenstoffe Serotonin und Histamin werden als mögliche Verursacher der Schizophrenie genannt. Wie genau sich Veränderungen bestimmter Botenstoff-Systeme auswirken, ist noch nicht erforscht. - Strukturelle Veränderungen im Gehirn
Bei vielen schizophrenen Menschen wurden strukturelle Veränderungen im Gehirn entdeckt, z. B. eine Erweiterung eines mit Hirnwasser gefüllten Hohlraums oder eine veränderte Durchblutung bestimmter Hirnareale. Inwieweit diese Veränderungen in einem direkten Zusammenhang mit der Schizophrenie stehen, ist noch nicht abschließend geklärt. - Psychosoziale Faktoren
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Schizophrenie spielt das soziale Umfeld des Erkrankten und sein intrapsychisches Empfinden, d. h. wie er für sich Gefühle, Spannungen und Erfahrungen einordnet. - Weitere Faktoren
Als mögliche Faktoren, die zur Entstehung beitragen, werden diskutiert:
➞ Frühkindliche Infektionen (z. B. mit Herpes-simplex-Viren Typ II, Influenza-Viren)
➞ Frühkindliche Hirnschädigungen (Hypoxie)
➞ Drogen (THC, LSD, Kokain)
➞ Laktoseintoleranz
➞ Östrogenmangel
Verlauf und Prognose
Bevor die Erkrankung ihr Vollbild erreicht, durchleben ca. 75 Prozent der Betroffenen ein bis zu mehrere Jahre andauerndes Vorstadium (initiale Prodromalphase). Kognition, Affekte und das soziale Verhalten sind dabei bereits spürbar gestört.
Etwa 20 – 25 Prozent der Betroffenen erleben eine sogenannte psychotische Episode. Nach einer Therapie werden sie wieder völlig gesund. Bei 75 – 80 Prozent der Betroffenen kommt es zu sich wiederholenden Rückfällen, sogenannten Schüben, unterschiedlicher Qualität– sie leben zwischen Symptomfreiheit und erheblichen kognitiven und sozialen Beeinträchtigungen. Die Schübe können mehrere Wochen bis Monate andauern. Einen chronisch fortschreitenden Krankheitsverlauf entwickeln heute nur noch zwischen 10 und ca. 30 Prozent der Patienten.
Faktoren, die den Verlauf der Schizophrenie ungünstig beeinflussen sind z.B.: familiäre Vorbelastung, d. h. psychische Erkrankungen in der Familie, männliches Geschlecht, eine lange Prodromalphase bzw. ein verzögerter Krankheitsbeginn, fehlende stabile Partnerschaft und psychosozialer Stress.
Faktoren, die den Verlauf der Schizophrenie günstig beeinflussen sind z. B.: Berufstätigkeit, Einbindung in ein soziales Umfeld, gute Therapiebefolgung und das Erkennen von auslösenden Ereignissen.
Wie erkennt man eine Schizophrenie?
Eine Schizophrenie beginnt in rund drei Viertel der Fälle mit einem Vorstadium, das mehrere Jahre andauern kann und sich erst später zum Vollbild der Schizophrenie entwickelt. Charakteristische Symptome im Vorstadium sind Störungen des Denkens, der Stimmung und des sozialen Verhaltens.
Die Symptome im Vollbild einer Schizophrenie können sehr unterschiedlich sein, in der Intensität variieren und praktisch alle psychischen Funktionen verändern. Insbesondere kommt es zu Störungen des Denkens und der Wahrnehmung wie Wahnerleben und Halluzinationen, auch aggressives Verhalten kann zum Krankheitsbild gehören. Die Symptome im Überblick:
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Denkstörungen:
Zerfahrener, unlogischer Denkablauf. Wortneubildungen und -verschmelzungen. - Wahnvorstellungen:
Falsche Beurteilung der Realität. Gefühl, von Menschen, Institutionen oder einer höheren Macht beobachtet oder verfolgt zu werden. - Ich-Störung:
Der Betroffene kann nicht zwischen sich und der Umwelt abgrenzen. Gefühl, von anderen gesteuert zu werden. - Wahrnehmungsstörungen:
Die Betroffenen haben Halluzinationen. Sie hören z. B. Stimmen, die über sie reden oder Befehle geben. Sie sind überzeugt, etwas zu riechen oder zu sehen, was nicht existiert. - Störungen der Gefühle und des Antriebs:
Unpassende Stimmungslage und Affekte. Gleichzeitig gegensätzliche Gefühle (Freude – Trauer, Liebe – Hass). Viele Patienten leiden auch unter Depressionen oder Apathie und können keine Freude empfinden. - Bewegungen:
Übermäßige, unpassende oder stark reduzierte Körperbewegungen. Wiederholung der immer gleichen Körperbewegung oder plötzliches Erstarren.
Je nach Art der Symptome lassen sich verschiedene Formen der Schizophrenie unterscheiden, wie z. B. die paranoid-halluzinatorische Schizophrenie mit dem Hauptmerkmal Wahnvorstellungen oder die katatone Schizophrenie mit dem Hauptmerkmal inadäquate Bewegungsabläufe.
Wie behandelt man eine Schizophrenie?
Menschen, die unter einer Schizophrenie leiden, sehen, fühlen und akzeptieren ihre Erkrankung oft nicht, weshalb sie sich häufig nicht behandeln lassen wollen. Eine Therapie ist allerdings unumgänglich.
Der Arzt kann eine Schizophrenie anhand der charakteristischen Symptome erkennen. Dazu spricht er ausführlich mit dem Betroffenen, beobachtet sein Verhalten und bittet gegebenenfalls auch Familie oder Freunde um Auskunft. Auch eine körperliche und neurologische Untersuchung, eine Blutuntersuchung und z. B. eine Kernspintomografie sind Bestandteil der Diagnosefindung.
Eine endgültige Heilung der Schizophrenie ist nicht möglich. Die Behandlung kann jedoch Symptome wirksam zurückdrängen und neue Erkrankungsschübe verhindern. Je früher die Behandlung startet, desto besser ist die Prognose für die Betroffenen.
Medikamentöse Therapie:
- Neuroleptika
hemmen den Botenstoff Dopamin im Gehirn. Sie vermindern u. a. Denkstörungen, Halluzinationen, Wahnvorstellungen und aggressives Verhalten. - Antidepressiva
werden zur Therapie depressiver Symptome eingesetzt. Sie steigern Stimmung, Antrieb und Leistungsfähigkeit der Erkrankten. - Beruhigungsmittel
werden gegebenenfalls eingesetzt. Sie wirken angstlösend und entspannend.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen:
- Psychotherapie /Psychoedukation
Die Psychotherapie ist ein zentraler Therapiebaustein und sehr vielfältig. Ziel ist es z. B., das Selbstwertgefühl zu stabilisieren, Wahrnehmungsstörungen und irrationale Überzeugungen zu korrigieren und eine Beziehung zwischen Gefühlen, Gedanken und Handlungen herzustellen. - Soziotherapie
Der Patient wird dabei unterstützt, seinen Alltag (Wohnen, Arbeiten, zwischenmenschliche Beziehungen) zu bewältigen.
Mit einer entsprechenden Therapie ist ein relativ normales Leben mit Schizophrenie möglich, aber natürlich ist die Belastung für die Erkrankten, für ihre Familie und Freunde groß. Der Druck wird durch die gesellschaftliche Stigmatisierung aufgrund von Vorurteilen und falschem Wissen über die Erkrankung zusätzlich verstärkt. Hier sind Aufklärung, Offenheit, Toleranz und Verständnis wichtig, um eine soziale Isolation und Vereinsamung der Betroffenen zu verhindern.
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